Ein Zwischenfall... und diese Lichter sind weg
…kann die Feuerwehr einer Grossstadt innert nützlicher Frist alle in Aufzügen steckengebliebenen Menschen befreien?
Was ist, wenn der grosse Blackout wirklich kommt
In der NZZ vom 08.10.2022 beschreibt und testet Robin Schwarzenbach anschaulich urban survival ohne Strom
Er tastet sich mit einem Selbsttest an ein stromloses Leben heran
- kocht mit Brennsprit, lebt bei Kerzenlicht
- vermisst das Züritram, macht Homeoffice mit Laptop
- Bürohaus- und Supermarkt-Türen gehen nicht auf
- friert, lebt vom Notvorrat, inkl. Trinkwasser, ärgert sich über Putin
- installiert die Notfall-App der Regierung
- und informiert sich bei Polizei und Feuerwehr über deren Szenarien, Informations-Vorbereitungen, Notfall-Treffpunkte…
Doch eines geht ihm und dem Sprecher der städtischen Führungsorganisation unter, nämlich das heisse Problem der Liftanlagen in all den Wohn/Geschäftshäusern.
Im Normalfall...
ruft jemand, der in einem ausgefallenen Lift steckt via heutzutage vorgeschriebenem Lifttelefon die Feuerwehr oder eine Lift-Wartungsfirma an, in Zürich der Regel Walder Lift, das ist die grösste in der Stadt, ein Beinahe-Monopolist.
Bei Total-Blackout hätten diese Dienste dann eine Riesenmenge Anrufe, die nicht einmal zu einem Bruchteil entgegengenommen werden können, das Festnetz wäre weitgehend sofort unbrauchbar, das Mobiltelefonnetz nach gut einer Stunde.
… und nun dasselbe ohne Kommunikationsmittel
Ob Walder Lift, via +41 44 307 44 77 24-h-Dienst oder 0800 92 53 37 Notfall, also per Festnetz, überhaupt erreichbar ist, wage ich zu bezweifeln, denn das setzt Strom
- im betroffenen Lift bzw. der Lift-Mobiltelefonanlage
- in mehreren Telefonzentralen / Glasfaserknoten zwischen Liftstandort und der Polizei/Feuerwehr/Walder
- und dann nicht zuletzt im Gebäude der Fa. Walder selbst voraus.
Die Kommunikation zwischen der Walder-Einsatztruppe und dem Firmensitz ginge mangels Mobiltelefon auch nur anfangs, was weitere Dispositionen verunmöglicht. Wieviele Servicewagen die haben, weiss ich nicht. Funkgeräte? Ob ein Notfallplan erarbeitet wurde, ist mir unbekannt, also ob Walder notfalls drei Dutzend informierte/instruierte Taxifahrer losschicken kann oder so was.
WALDER – Thurgauerstr. 68 – CH-8050 Zürich
= ziemlich weit weg von der City, je nach Weg 25 Minuten oder 13,2 km,
im Stromchaos-Stau…
Im Prinzip müsste die Feuerwehr ausnahmslos alle Liftanlagen in der ganzen Stadt innerhalb von wenigen Stunden abklappern, und sich in jedem Einzelfall vergewissern, das niemand steckengeblieben ist. Dabei kann sie nicht an den Haustüren klingeln, mangels Strom – also müsste sie sich mit den deponierten Feuerwehrschlüsseln Zugang verschaffen, was wohl weit zeitraubender ist als im Normalfall, also mit Strom.
Auch wären die Einsatzorte, Liftkeller usw., unbeleuchtet.
Dazu kommt das Verkehrschaos, ausgefallene Ampeln, Unfälle…
Inzwischen würden die Eingeschlossenen schwer atmen und in Panik geraten, ausrasten, zusammenbrechen. Dass die dann auch noch ihre Notdurft irgendwann verrichten müssen, erwähne ich nur ganz vorsichtig am Rande. Mir wird schon beim Gedanken ganz übel.
Die Einsatzkräfte müssten fertige gedruckte Listen aller Liftanlagen parat haben, denn der Laserprinter ist ja out, das Internet mobil unerreichbar. Haben die Feuerwehr und Walder das im Griff?
Die haben in einem solchen Fall vermutlich so schon alle Hände voll zu tun, die Polizei ebenso.
Der Wochentag oder die Tageszeit des Blackouts ist im Übrigen irrelevant: prinzipiell müssen alle Lifte kurzfristig überprüft werden. Bisher war man gewohnt, dass ein Blackout maximal 20 Minuten dauert…
Die Bürohäuser sind wohl tagsüber, die Wohnhäuser nachts nicht menschenleer – aber was ist, wenn der Stromausfall am Gründonnerstagnachmittag erfolgt? Also zu einem Zeitpunkt, in der Bürokollegen bzw. Mitbewohner und Hausmeister grösstenteils schon stundenlang im Gotthardstau stecken?
Nach drei Tagen ohne Wasser stirbt ein normaler Mensch, oder er erstickt vorher, wenn der Lift nicht gut belüftet ist – vor allem, man sich die wenige Luft mit mehreren Eingeschlossenen teilen muss. Dann kann man dann am Osterdienstag die Leichen bergen, die in einem über fünf Tage verlassenen Bürohaus oder einer Züribergvilla mit Lift elend umgekommen sind??
Ist die Feuerwehr imstande, alle Lifte auf diese Weise innert nützlicher Frist zu kontrollieren? Ich glaube das nicht – und das gäbe Tote.
Ich kann nur appellieren...
dass Feuerwehr und Liftunternehmen sich unverzüglich und intensiv mit diesem Problem befassen.
Bin gespannt auf die Kommentare meiner Leser,
unten auf dieser Seite!
So wird das enden..
wenn da nicht zügig eine professionelle Planung gemacht wird.
In Zürich und überall sonst.
Denn z.B. dieses lange Wochenende (als Galgenfrist) kommt mit Sicherheit:
Gründonnerstag, 6. April 2023
Day(s)
:
Hour(s)
:
Minute(s)
:
Second(s)
So eine Liftfirma hat doch mehrere Service-Autos rund um die Uhr im Einsatz, oder kannst du das abklären? Nimmt mich wunder.
Gute Frage, ich nehme die in den Fragenkatalog auf, den ich mit den Behörden, der Feuerwehr und der Liftfirma abarbeiten werde.
Ich hab da eine kreative Idee: in jedem Lift ein paar diskrete Plasticbeutel oder Becherli deponieren, damit die Eingeschlossenen beim viele Stunden langen (vergeblichen?) Warten in Ruhe pissen können – denn da ist viel Zeit, über das allgemeine Versagen der Infrastrukturerhalter nachzudenken, und das ist allemal harntreibend…
Sehr geehrter Herr Bechtiger
Besten Dank für Ihre Anfrage zu diesem wichtigen Thema.
In einem Lift eingesperrt zu sein – sei es aufgrund eines Stromausfalls oder eines techn. Defektes – ist für jedermann eine unangenehme Situation.
Gerade in der heutigen Zeit, wo niemand ausschliessen kann, dass es auch zu weitläufigeren Stromausfällen kommen kann, führt dies unter Umständen zu einen unguten Gefühl wenn man mit einem Lift fährt.
Daher ist es wichtig bei der Betrachtung dieser Thematik zwischen den verschiedenen kritischen Punkten zu unterschieden:
1. Die technische Situation am Lift (Notstromversorgung des Notrufs, Evakuationsmöglichkeiten ohne Strom etc.)
Eine Liftanlage ist ganz allgemein eine der sichersten Fortbewegungsmöglichkeiten. Dies nicht zuletzt wegen den verschiedenen Sicherheitsmechanismen, welche einen reibungslosen und sicheren Liftbetrieb ermöglichen.
So hat z.B. jede Liftanlage eine Möglichkeit, dass sich eingeschlossene Personen im Störungsfall bemerkbar machen können. Sei dies über
– ein Alarmhorn (nur im Gebäude hörbar, mit Notstromgerät abgesichert, Funktion nicht überwacht; heute nicht mehr Stand der Technik),
– ein Notruftelefon (zusätzlich externe Kommunikation möglich, unter Umständen mit USV-Anlage bauseits abgesichert, Funktion nicht überwacht; heute nicht mehr Stand der Technik)
– oder ein komplettes Notrufsystem (zusätzlich Zweiwegkommunikation, mit Notstromgerät abgesichert, automatisierte 72h Kontrolle der Funktionstüchtigkeit; heutige Norm und empfohlener Standard).
Auch die Möglichkeit einer (mechanischen oder notstrombetriebenen) Personenbefreiung ist bei jeder Liftanlage im stromlosen Zustand gegeben.
Insofern ist technisch also auch bei einem Stromausfall sichergestellt, dass sich einerseits Personen bemerkbar machen können und ebenso, dass sie in der Folge befreit werden können.
Als Zusatzpunkt lässt sich sagen, dass auch wenn «im Lift eingesperrt sein» sehr unangenehm ist, zu keiner Zeit Gefahr durch zu wenig Luft oder anderen Einflüssen besteht.
2. Die organisatorische Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der verschiedenen Liftfirmen, Blaulichtorganisationen etc.
In der Schweiz gibt es mehrere Dutzend Liftfirmen (www.aufzuege.ch / http://www.vfka.ch sind zwei Branchenverbände, es gibt aber noch diverse Firmen welche nicht in einem solchen dabei sind), welche die rund 220’000 Aufzüge in der Schweiz betreuen.
Dazu gehören Weltkonzerne wie Schindler, Otis oder Kone; auf den schweizer Markt begrenzte Firmen wie z.b. AS Aufzüge oder die Lift AG; und dann regional begrenzte KMU-Firmen wie es z.B. die Walder Lift AG im Raum Zürich ist. Dazu kommen dutzende Klein- und Kleinstfirmen die ebenfalls meist regional tätig sind.
Insofern wären bei einem Blackout eine Vielzahl von Firmen, Techniker und Notfallorganisationen daran beteiligt, eingesperrte Personen zu befreien.
Die Menge Liftanlagen welche eine Firma betreut resp. betreuen will/kann, hängt dabei natürlich massgeblich von den gegebenen Strukturen und Kapazitäten ab. Auch das definierte Einzugsgebiet resp. die Einsatzwege spielen eine erhebliche Rolle auf die Funktionsfähigkeit in Sondersituationen.
Dies ist z.B. auch der Grund für unsere regionale Ausrichtung; unsere Techniker befinden sich während dem ganzen Tag direkt in ihren zugeteilten Wartungszonen und sind dadurch schnell vor Ort. Ebenso ist für den Fall, dass unsere Hotline nicht erreichbar sein sollte, während jeder Zeit zusätzlich eine Pikettfirma aktiv, welche direkt mit unseren zuständigen Verantwortlichen im Mobilfunk-Kontakt ist, um eine reibungslose Disposition zu ermöglichen.
3. Generelle Überlegungen im Zusammenhang mit Aufzugs-/Notruforganisationen
Bei allen Überlegungen zum Thema Liftsicherheit im Zusammenhang mit Stromausfällen muss der Vollständigkeit halber aber erwähnt werden, dass Dritteinflüsse in einer allfälligen Extremsituation weder von uns kontrolliert noch beeinflusst werden können. Auch wenn sich ein Stromausfall im Liftbetrieb sehr zeitnah bemerkbar macht und im Idealfall noch in der «Notstrom-Phase» von Mobilfunkkapazitäten abgearbeitet werden kann, sind sämtliche Aufzugsfirmen weder Blaulichtorganisationen die mit Sirenen unterwegs sein dürfen, noch haben wir gesonderte Kommunikationskanäle für Notrufe oder dergleichen – dies ist den Notruforganisationen vorbehalten. Somit wären auch sämtliche Liftfirmen von allfälligen Mobilfunk-Ausfällen, Stau-Chaos oder Zutrittsproblematiken betroffen.
Nichtsdestotrotz ist unsere Branche für Notsituationen bereits sehr sensibilisiert und Firmenausrichtungen und -organisationen entsprechend aufgestellt.
Ebenso unterstützen moderne Technologien das Ziel, dass auch in Extremsituationen eine geregelte Evakuation von eingeschlossenen Personen möglich ist.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit
Freundlichen Grüssen, Samuel Walder, Geschäftsleitung Administration
Sehr geehrter Herr Walder
Recht herzlichen Dank für Ihre wertvolle und detaillierte Information.
Ich gehe davon aus, dass ich das so publizieren darf.
Auch wenn meinerseits keine Zweifel am Guten Willen der Liftfirmen – also jedenfalls Ihrerseits – bestehen: das Problem ist ernst, und bei einem richtig tollen und längeren Blackout – zumal zur Unzeit, drum rede ich absichtlich von Gründonnerstag – sind wohl die Lifte einer der heikelsten Problempunkte, die zur Todesfalle werden können.
Der aktuelle Stadn ist wie immer in der Schweiz vernünftig organisiert, das will ich gerne glauben. Aber im Chaos eines Blackouts sieht die Welt andsrs aus als wir sie zu kennen glauben.
Ihre Antwort lässt nicht erkennen, wie weit systematische Vorbereitungen seitens Polizei/Feuerwehr und der Liftbranche getroffen wurden, die sicherstellen, dass da niemand “vergessen” wird, und eine kleine Unachtsamkeit einer Alarmzentrale in einer solchen Krise kann den Tod bedeuten. So von wegen lückenloser Prüfung aller Lifte in einer Grossstadt innert nützlicher Frist und unter sehr erschwerten Bedingungen.
Anderswo, etwa bei der Beschränkung der Passagierzahl der eigentlich sehr sicheren Züge im Gotthard-Basistunnel für den Fall eines Brandes oder beim nahezu unnötigen, aber hunderte Millionen teuren Rettungsstollen beim Milchbucktunnel spielt Geld keine Rolle – aber bei diesem leicht erkennbaren und mit etwas besserer Organisation verringerbaren, jedoch zweifellos gossen Risiko tut sich vergleichsweise weitaus zu wenig – es bleibt mir nichts weiter übrig, als das Thema weiterhin zu verfolgen.
Ich muss nun auf die Politik zugehen.
Besten Dank nochmals, Ihr Ivo Bechtiger